Nationalmuseum übergibt dem Nachlass einer jüdischen Kunstsammlerin ein silbernes Trinkgefäss
Bern, 07.06.2012 - Das Schweizerische Nationalmuseum (SNM) übergab am 6. Juni 2012 aus seinem Bestand ein silbernes Trinkgefäss aus dem 17. Jh. an den Nachlass der jüdischen Sammlerin Emma Budge. Es handelt sich um einen Anwendungsfall im Sinne einer gerechten und fairen Lösung der Washingtoner Richtlinien von 1998.
Im Rahmen von Provenienzabklärungen stellte das SNM 1998 fest, dass es das silberne Trinkgefäss in Form einer Lerche („Lerber Lerche"), 1937 in Berlin bei einer Auktion der Sammlung Emma Budge erworben hatte. Die Feststellung veröffentlichte das SNM 1998 im Bericht des Bundesamtes für Kultur (BAK) „Kulturgüter im Eigentum der Eidgenossenschaft: Untersuchung zum Zeitraum 1933 bis 1945", um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
In der Folge konnten durch die Provenienzforschung des SNM und der Anlaufstelle Raubkunst des BAK, in Zusammenarbeit mit dem Vertreter des 2007 eingesetzten Testamentsvollstreckers der Erbengemeinschaft Emma Budge, die konkreten Erwerbsumstände geklärt werden.
Ein detaillierter, auf Originalquellen basierender externer Bericht von 2011 ergab schliesslich, dass der Erlös der Versteigerung der Kunstsammlung Budge 1937 in Berlin auf ein Nachlasskonto bzw. staatlich kontrolliertes Sperrkonto geflossen sein muss. Über den Verkaufserlös konnten die berechtigten Erben zu keinem Zeitpunkt frei verfügen, was einer Konfiskation gleich kommt.
Washingtoner Richtlinien von 1998
Der Erwerb der „Lerber Lerche" fällt in den Anwendungsbereich der „Washington Conference Principles on Nazi-Confiscated Art" von 1998 (Washingtoner Richtlinien), an deren Ausarbeitung und Verabschiedung die Schweiz zusammen mit 43 weiteren Staaten aktiv mitwirkte.
Diese im Bereich der NS-Raubkunst international wegweisenden Richtlinien stellen nicht nur auf die formelle Rechtmässigkeit eines Erwerbs ab, sondern fordern insbesondere für die von den Nazis konfiszierten Kunstwerke die Erzielung von gerechten und fairen Lösungen. Aufgrund Ihrer Ausgestaltung als „soft law" sind die Richtlinien zwar nicht unmittelbar bindend, doch rufen sie die Staaten zu einem entsprechenden Handeln auf.
Die Eidgenossenschaft hat mit Verabschiedung der Washingtoner Richtlinien 1998 erklärt, dass sie der Aufarbeitung der NS-Raubkunstproblematik grosse Bedeutung zumisst. Entsprechend stützt sie ihre Tätigkeit im Bereich Raubkunst auf die drei Säulen Transparenz, Rechtmässigkeit und Angemessenheit.
In Berufung auf die Washingtoner Richtlinien und im Hinblick auf die zwischenzeitlich nachgewiesenen konfiskatorischen Versteigerungsfolgen der „Lerber Lerche", hat die Schweizerische Eidgenossenschaft als Eigentümerin der Bestände gemeinsam mit dem SNM entschieden, das Objekt im Sinne einer gerechten und fairen Lösung entschädigungslos an die Erben zu übergeben.
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Letzte Änderung 15.12.2023