Am 15. Mai 2022 hat das Schweizer Volk die Einführung einer Investitionspflicht in das Schwei-zer Filmschaffen für nationale und internationale Streaminganbieter angenommen. Das revidierte Filmgesetz legt zudem neu eine 30% Quote von europäischen Filmen auf Streamingplattformen fest und regelt den öffentlichen Zugang zu Filmen, die vom Bund unterstützt worden sind.
Die Investitionspflicht von 4% der in der Schweiz erzielten Bruttoeinnahmen in das Schweizer Film-schaffen sowie die Quoten von 30% gelten ab 1. Januar 2024. Die übrigen Bestimmungen sollen ab Mitte 2023 bereits in Kraft treten (Zugang zum Filmerbe, Registrierung der Unternehmen).
Die Ausführungsverordnung soll im Herbst 2022 in die öffentliche Vernehmlassung gehen.
INVESTITIONSPFLICHT
Neu müssen in- und ausländische Streaming-Anbieter (z.B. Netflix oder Disney+) sowie ausländische TV-Veranstalter mit Schweizer Werbefenstern (z.B. TF1, M6, Sat1 oder Pro7) in das Schweizer Film-schaffen oder dessen Vermittlung investieren. Die Investitionspflicht beläuft sich auf 4 Prozent ihres jährlich in der Schweiz erzielten Bruttoeinkommens. Tun sie das nicht, müssen sie nach einer Periode von 4 Jahren eine Ersatzabgabe leisten. Schweizer TV Veranstalter unterliegen bereits heute gestützt auf das RTVG einer solchen Investitionspflicht (4%). Mit dem neuen Filmgesetz können sie im Gegen-satz zu früher nicht mehr unbeschränkt Werbezeit für Schweizer Filme als Investition anrechnen lassen. Neu gilt eine Grenze von 500'000 Franken pro Fernsehprogramm.
EUROPÄISCHE QUOTE
Ausstrahlungsquoten: Neu müssen Streaming-Anbieter, wie bereits heute private TV-Sender gemäss RTVG (50%), mindestens 30 Prozent europäische Filme anbieten. Zudem sollen diese Filme beson-ders gekennzeichnet und gut auffindbar sein. Diese Quote besteht bereits in der EU Richtlinie über die audiovisuellen Mediendienste (AVMD-Richtlinie).
Als Schweizer Film gelten Filme von unabhängigen Schweizer Produktionsfirmen sowie internationale Koproduktionen mit Schweizer Beteiligung. Dazu gehören Schweizer Filme DIE GÖTTLICHE ORDNUNG oder PLATZSPITZBABY (mit Schweizer Regie, mehrheitlich Schweizer Finanzierung und künstlerischer Beteiligung), aber auch internationale Koproduktionen mit anderen Ländern wie OLGA, MONTE VERITA oder LA LIGNE. Anrechenbar im Sinne der Gesetzesänderung sind Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilme, wie man sie im Kino oder an den Festivals sieht, aber auch neue audiovisuelle Formate wie Serien. Dazu gehören WILDER, TSCHUGGER oder QUARTIER DES BANQUES.
Wie bisher: Private sprachregionale und nationale Fernsehveranstalter in der Schweiz wie z.B. 3+ oder blue (Pay-TV Teleclub).
Neu: In- und ausländische Unternehmen, die Filme online anbieten wie Netflix, Disney+ , Sky oder das VOD-Angebot von blue sowie ausländische Fernsehveranstalter, welche Schweizer Werbefenster ausstrahlen wie M6.
Private nationale und sprachregionale Schweizer TV-Sender, die eine gewisse Anzahl Filme zeigen, müssen bereits jetzt 4 Prozent ihres Umsatzes in das unabhängige Schweizer Filmschaffen investieren. Daran ändert das revidierte Filmgesetz nichts.
Neu hingegen ist, dass diese TV-Sender ihre Investitionen künftig nicht mehr wie bis anhin vollumfänglich in Form von Werbung für Filme Schweizer Herkunft leisten können. Werbeleistungen können gemäss dem revidierten Filmgesetz bis zu einem Betrag von 500 000 Franken pro Sender und Jahr angerechnet werden. Sollten die 4 Prozent des Umsatzes eines Senders diesen Betrag übersteigen, gilt für die Differenz eine direkte Investitionspflicht welche über Ankäufe, Koproduktionen etc. erfüllt werden kann.
Wenn ausländische Fernsehsender in ihrem Programm die Werbeblöcke gezielt mit Werbung ersetzen, die sich an das Schweizer Publikum richten und damit auf dem einheimischen Werbemarkt Umsatz erzielen, spricht man von «Werbefenstern».
Investitionspflicht: Veranstalter müssen 4% ihres Umsatzes in das schweizerische Filmschaffen investieren. Wenn sie nicht oder nur ungenügend investieren, müssen sie eine Ersatzabgabe leisten.
Quote: Online-Anbieter müssen mindestens 30% europäische Filme anbieten und diese kennzeichnen. (Für Fernsehveranstalter gilt bereits seit 1993 eine Quote von 50% im Radio- und Fernsehgesetz RTVG). Diese Regelung ist innerhalb der EU bereits umgesetzt.
Das BAK rechnet nicht mit einer Erhöhung der Preise für Streamingabos in der Schweiz. Die Abonnementspreise richten sich in erster Linie nach der Kaufkraft und gehören bereits heute mit vergleichbarem Angebot zu den höchsten weltweit. In Frankreich hat beispielsweise die Einführung einer Investitionspflicht von bis zu 25% nicht zu einer Erhöhung der Abonnementspreise geführt. Im Gegensatz zu einer direkten Steuer verbleibt das Geld bei den Unternehmen, welche 4% davon in Schweizer Inhalte investieren müssen. Eine Einschätzung der Universität Lausanne1 gelangt zu einem ähnlichen Schluss, dass die Preisüberwälzungen zwar theoretisch möglich sind, aber aufgrund der Schweizer Ausgangslage weit unter 4% bzw. gegen 0% tendieren dürfen.
1 Notes on the possible consumer price effects of the proposed requirement for streaming services to fund Swiss content (4% rule in “Lex Netflix”); Joao Montez and Marius Brülhart, University of Lausanne; 21 March 2022
Investitionspflicht: Ja. Unternehmen, die wenig Filme zeigen (vorgesehen sind weniger als 12 Filme pro Jahr) und solche, die wenig Umsatz machen (vorgesehen ist ein Schwellenwert 2.5 Millionen Franken pro Jahr), sind von der Investitionspflicht ausgenommen. Diese Einzelheiten legt der Bundesrat in der Filmverordnung fest.
Quote: Ja. Grundsätzlich gelten die gleichen Ausnahmen wie bei der Investitionspflicht (weniger als 12 lange Filme pro Jahr, weniger als 2.5 Millionen Franken Umsatz). Ausserdem kann der Bundesrat Streamingdienste von der Quote ausnehmen, wenn sie ein Spezialprogramm anbieten, für das es gar keine europäischen Filme gibt. Karatefilme wären ein Beispiel, oder Bollywoodfilme. Ausserdem sieht das Gesetz Ausnahmen für kleine Unternehmen mit geringer Reichweite oder beschränktem Zielpublikum wie Lokalsender vor.
Die neuen Investitionsverpflichtungen generieren ein geschätztes Volumen von jährlich 18 Millionen Franken für die Herstellung von audiovisuellen Inhalten (Filme und Serien) in der Schweiz. Der Grossteil davon kommt von den ausländischen Online-Anbietern von Filmen sowie den Betreibern von ausländischen Werbefenstern.
Die 18 Millionen Franken wurden vom BAK aufgrund des Gesamtvolumens der Einnahmen aus TV und Online-Plattformen in der Schweiz gerechnet. Dieses Gesamtvolumen von 714 Millionen Franken ergibt sich aus folgenden Quellen:
- 100 Millionen Franken für sprachregionale und nationale Fernsehsender,
- 312 Millionen Franken für ausländische Werbefenster und
- 302 Millionen Franken für Streamingdienste.
Dies ergibt eine Brutto-Verpflichtung von 29 Millionen Franken (4%). Da Fernsehsender aber bis zu 500 000 Franken für Werbung als Eigenleistung anrechnen werden können, reduziert sich das Investitionsvolumen für die unabhängige Filmproduktion auf 18 Millionen Franken.
Die massgebenden Quellen für die Ermittlung dieser Zahlen finden sich in folgendem Bericht (S.4)
Ab 1. Januar 2024 müssen die betroffenen Unternehmen nach den neuen Regeln des Filmgesetzes investieren (unter Vorbehalt der Annahme des Filmgesetzes in der Volksabstimmung vom 15. Mai 2022). Die Unternehmen müssen diese Investitionspflicht jeweils über eine Periode von vier Jahren erfüllen.
Investitionsmöglichkeiten:
- Ankauf von bereits hergestellten Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilmen sowie Serien
- Auftragsproduktion mit unabhängigen Produktionsunternehmen
- Koproduktion mit unabhängigen Produktionsunternehmen
Bis zu einem Betrag von 500 000 Franken:
- Werbeleistungen für Schweizer Filme
- Vermittlungsmassnahmen für Schweizer Filme
- weitere Massnahmen, die den Filmstandort der Schweiz fördern (z.B. Filmfestivals)
Zudem können Unternehmen Filmförderungsinstitutionen unterstützen, die vom BAK anerkannt sind.
Die Schweizer Finanzierung der unabhängigen audiovisuellen Produktion beträgt insgesamt 105 Millionen Franken (Schnitt 2017-2020). Davon betreffen 61 Millionen Franken die eigentlichen Kinofilme und 44 Millionen Franken Fernsehfilme und Serien.
Die Filmförderung von Bund, Regionalförderungen und Kantonen beträgt 37 Millionen Franken für Kinofilme und 2 Millionen Franken für Fernsehfilme und Serien.
- Die SRG investiert 9 Millionen Franken in die Koproduktion von Kinofilmen und 27 Millionen Franken in Fernsehfilme und Serien.
- Private Fernsehveranstalter investieren 1 Million Franken in Kinofilme und 5 Millionen Franken in Fernsehfilmen und Serien.
- Der Rest der Filmfinanzierung (14 Millionen Franken beim Kino und 10 Millionen Franken bei den Fernsehfilmen und Serien) ist privat: Vorverkäufe der Filme, Sponsoring, Eigenleistungen der Produktionsfirmen.
Durchschnittliche jährliche Finanzierung |
Total |
Kinofilme |
Fernsehfilme und Serien |
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Total Finanzierung |
105 000 000 |
61 000 000 |
44 00 000 |
|
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|
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Filmförderung |
39 000 000 |
37 000 000 |
2 000 000 |
- BAK |
21 000 000 |
20 000 000 |
1 000 000 |
- Regionalförderung |
18 000 000 |
17 000 000 |
1 000 000 |
|
|
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|
Koproduktion Fernsehen |
42 000 000 |
10 000 000 |
32 000 000 |
- SRG |
36 000 000 |
9 000 000 |
27 000 000 |
- Private |
6 000 000 |
1 000 000 |
5 000 000 |
|
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|
Private Finanzierung (Vorverkäufe, Sponsoring, Eigenleistungen der Produktionsfirma) |
24 000 000 |
14 000 000 |
10 000 000 |
Anmerkungen
- Das BAK fördert keine fiktionalen Fernsehfilme und Serien. Die hier aufgeführte Förderung bezieht sich Fernsehdokumentarfilme.
- Mittelwerte gerundet auf 1 Million Franken
- NB: Bei internationalen Koproduktionen ist nur der Schweizer Finanzierungsanteil eingerechnet. Insgesamt beträgt das Volumen der Kinofilmproduktion inklusive ausländische Produktionsfirmen 92 Millionen Franken pro Jahr
Quellen:
Kinofilmproduktion (Mittelwert 2017-2020): Die Finanzierung der Schweizer Kinofilmproduktion 2020 https://www.bak.admin.ch/dam/bak/de/dokumente/kulturschaffende-film/berichte/die-schweizer-kinofilmproduktion-2020.pdf.download.pdf/Die%20Schweizer%20Kinofilmproduktion%202020_v1.0.pdf
Fernsehfilme und Serien (Ergebnisse 2020): Schätzung des Bundesamtes für Kultur aufgrund der Jahresberichte von BAK, Cinéforom, Zürcher Filmstiftung und SRG.
Mit der Gesetzesänderung soll in erster Linie der bestehende Wettbewerbsnachteil der Schweiz gegenüber den europäischen Ländern, die eine solche Investitionspflicht eingeführt haben, beseitigt werden. Die neu in der Schweiz getätigten Investitionen sollen die audiovisuelle Produktion in der Schweiz stärken und die Entwicklung neuer und innovativer Formate (z. B. in Form von Serien) begünstigen.
Investitionspflicht: Stand heute kennen zahlreiche europäische Länder entweder eine Investitionspflicht, eine direkte Abgabe oder beides, darunter:
Frankreich bis zu 28% (26% Investitionspflicht, 2% Abgabe)
- Italien: 20% (Investitionspflicht)
- Spanien: 5% (Investitionspflicht)
- Kroatien: 4% (2% Investitionspflicht, 2% Abgabe)
- Deutschland: 2.5% (Abgabe)
In Deutschland, den Niederlanden sowie Dänemark wird die Einführung einer Investitionspflicht gegenwärtig diskutiert.
Quote: In sämtlichen Ländern der EU. Die 30%-Quote ist in der europäischen audiovisuellen Richtlinie (AVMSD) festgelegt.
Eine vollständige Übersicht findet sich in den Zusatzberichten des BAK auf dieser Seite unter «Dokumente».
Die Schweiz ist nicht verpflichtet die EU Richtlinie über die audiovisuellen Mediendienste zu übernehmen. Will die Schweiz aber künftig in den Kulturprogrammen der EU wieder teilnehmen, muss sie bestimmte Regelungen der EU übernehmen. Die Übernahme der Minimalquote von 30% Filmangebot wäre dazu ein wesentliches Element.
Das Filmgesetz verankert die Förderung der Angebotsvielfalt, die ein zentraler Punkt des Filmgesetzes ist. Dadurch können künftige Förderkonzepte des BAK die Unterstützung von Massnahmen festlegen, welche beispielsweise die vielfältige Programmation in den Kinos unterstützen.
Ja. Mit der Gesetzesänderung in Artikel 19 Abs. 2 sollen vom Bund geförderte Filme auch nach ihrer ersten Auswertung im Kino und den Festivals für die Öffentlichkeit auffindbar bleiben. Wer eine Subvention des Bundes erhalten hat, muss dafür sorgen, dass der Film für das interessierte Publikum auch fünf Jahre nach der Erstauswertung verfügbar bleibt. Der Zugang zum Schweizer Filmerbe kann auf verschiedene Weise sichergestellt werden. Ein Film kann zum Beispiel in einem Filmarchiv visioniert werden oder auf einem Streamingdienst gezeigt werden, der sich auf Filme des Kulturerbes spezialisiert. Dies kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen.
Letzte Änderung 23.05.2022
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